„Den Rollstuhl nutzende Kinder sollen Mobilität neu erfahren“

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Projektleiter Dr. Thomas Abel erläutert im Gespräch mit trainingsworld die Intention des gemeinsamen Handbike-Projektes „Tailwind“. Handcycles bieten Kindern im Rollstuhl neue Möglichkeiten der Fortbewegung und der sportlichen Aktivität. 

trainingsworld: Herr Abel, was ist eigentlich ein Handcycle?
Dr. Thomas Abel:  Im Prinzip ganz einfach zu beantworten. Ein Handcycle oder Handbike ist ein Fahrrad, das mit den Armen betrieben wird. Es sind also Räder, die wesentlich von Menschen genutzt werden, die keine Möglichkeit haben, mit den Beinen Rad zu fahren. Je nachdem wie die Person, die das Rad fährt, sitzen kann oder sitzen muss, gibt es verschiedene Arten von Rädern. Bei den Adaptivbikes sitzt die Person in ihrem Rollstuhl der täglich genutzt wird und spannt lediglich ein Rad vor den Stuhl. Dabei werden die kleinen Vorderräder des Rollstuhls aufgebockt und es entsteht ein dreirädriges Fahrrad.

trainingsworld: Wie ist eigentlich die Projektidee Tailwind geboren worden?
Dr. Thomas Abel: Ich habe das Glück und das Privileg seit mehr als 10 Jahren mit Athletinnen und Athleten arbeiten zu dürfen, die Wettkampfsport mit dem Handcycle betreiben. Die Dynamik der Sportart hat mich dabei stets fasziniert und spiegelt meine eigene Begeisterung für das Radfahren als Freizeitsport aber auch, um Strecken zu bewältigen, wieder. In Kursen mit angehenden Lehrerinnen und Lehrern für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf habe ich an der Deutschen Sporthochschule Köln deshalb versucht, den Radsport inklusive des Handbikens mit seinen Möglichkeiten an den Schulen darzustellen. Neben fehlenden Informationen zum Radsport sind die hohen Kosten der Handbikes und fehlende Grundausstattungen an den Schulen dabei aber häufig eine unüberwindbare Hürde und diese Hürde wurde von den Studierenden stets angemahnt. Vielleicht lässt sich dies unter Beteiligung der Studierenden und mit dem Projekt verändern.

trainingsworld: Welche wesentlichen Ziele verfolgen Sie mit dem Projekt Tailwind?
Dr. Thomas Abel: Wir wollen Kindern, die zur Fortbewegung auf die Nutzung eines Rollstuhls angewiesen sind die Möglichkeit geben, die Faszination des Radfahrens kennen zu lernen. Sie sollen Mobilität neu erfahren und die Chance bekommen, Freude an Bewegung zu genießen. Dazu werden wir Schulen aussuchen und mit diesen Aktionstage durchführen, bei denen es um die Möglichkeiten des Handbikens und Radfahrens geht. Aspekte des sicheren Fahrens sowie Grundlagen des korrekten und Unfälle vorbeugenden Verhaltens im Straßenverkehr sind dabei ebenso vorgesehen, wie die Vorstellung der Sportart durch einen prominenten Athleten oder eine Athletin. Letztlich bekommen die Schulen vier Adaptivbikes geschenkt, mit denen sie Schüler ausrüsten, die das Rad im Alltag und möglichst auch auf dem Weg zur Schule benutzen. Welche Veränderungen die damit gesteigerte Mobilität für die Kinder nach sich zieht, möchten wir in wissenschaftlichen Untersuchungen abbilden.

trainingsworld: Wer beteiligt sich an dem Projekt?
Dr. Thomas Abel: Zunächst bin ich froh und stolz, das dieses Projekt durch die Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Sporthochschule Köln und trainingsworld möglich geworden ist. Eingebunden werden Studierende aus den Bereichen der Förderpädagogik. Das Institut für Inklusion durch Bewegung und Sport wird sich bei der Evaluation, also der Überprüfung der nachhaltigen Wirksamkeit des Projekts beteiligen. Athletinnen und Athleten der Sportart werden sich als Botschafter und Vorbilder bei den Aktionstagen einbringen. Wir werden Kontakt zu lokalen Polizeidienststellen aufnehmen, um ein Sicherheitstraining unter Berücksichtigung möglichst vieler Aspekte des Radfahrens durchzuführen. Der Behindertenbeauftragte der Landesregierung in Nordrhein Westfalen, Herr Killewald, bringt sich innerhalb des Projekts ein und es gibt eine enge Kooperation mit dem Deutschen Rollstuhlsportverband e.V., hier insbesondere mit der Kinder- und Jungendorganisation den „Rollikids“.

trainingsworld: Wann sollen die ersten Kinder mit den Rädern unterwegs sein?
Dr. Thomas Abel: Ich hoffe, dass wir noch in diesem Jahr einen ersten Pilot-Aktionstag an einer Schule starten werden. Davor steht für uns aber noch eine Menge Arbeit an auf die ich mich sehr freue. Natürlich ist es nicht ganz ideal, dass jetzt im Herbst die Tage kürzer und das Wetter schlechter werden. Aber Radfahren kann man eigentlich immer.

trainingsworld: Sind Sie auch schon Handcycle gefahren?
Dr. Thomas Abel: Ja, ich habe Errol Marklein, einen der Pioniere im Bau von Handbikes, selber Europameister im Handbike und sechsfacher Paralympicssieger im Rennrollstuhl, lange Zeit durch Untersuchungen im Labor bei seiner Trainingsarbeit unterstützten dürfen. Er hat mich dann so lange motiviert, also „durchbeleidigt“, bis ich am Köln-Marathon teilgenommen habe. Ich war nicht schlecht vorbereitet aber Errol hat im Ziel trotzdem fast eine halbe Stunde auf mich gewartet …

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Trainingsworld

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