Laktat und Laktatdiagnostik

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Das Bestimmen der Konzentration von Laktat im Blut hat in der Trainingssteuerung und in der Sportmedizin eine besondere Bedeutung.(1) Laktat ist dabei eng mit diagnostischen Maßnahmen im Sport verknüpft. Erfahren Sie hier alles über diese Form der Leistungdiagnostik.

Die Laktatkonzentration im kapillaren Blut gilt dabei als Hinweis auf die zu Grunde liegende Stoffwechselbeanspruchung und die Art der Energiebereitstellung. Während der Laktatstufentest und die zugehörigen Schwellenmodelle in die Kritik gerieten, gilt heute, dass der Stufentest weiterhin ein sehr aussagekräftiger Test ist, um Trainingsbereiche für einen Sportler festlegen zu können. Allerdings zeigen die modernen physiologischen Erkenntnisse zum Laktat, dass die Sichtweise auf das Molekül grundlegend neu geschrieben werden muss.

Sicher haben Sie als Sportler auch schon vom „Laktat“ gehört. Dieses Salz der Milchsäure entsteht bei zunehmender Belastung in Ihrem Körper, wenn Ihre Muskeln ohne Sauerstoff Energie produzieren. Laktat wurde Anfang des 19. Jahrhunderst entdeckt und beschäftigt Sportphysiologen und Sportwissenschaftler, aber auch Praktiker und Trainer. Während zu früheren Zeiten das Laktat noch als Stoffwechselendprodukt gesehen wurde, muss diese Sichtweise heute überarbeitet werden. Entgegen der althergebrachten Sichtweise, dass Laktat die Grundlage der Ermüdung darstellt und für Gewebsschäden rund um die Zerstörung der Energiekraftwerke des Körpers, den Mitochondrien verantwortlich gemacht wurde.

 

Mangelt es der Muskulatur an Sauerstoff?

Laktat entsteht im anaeroben Stoffwechselweg, wenn Ihr Körper Kohlenhydrate ohne Sauerstoff aufspaltet, um wieder energiereiche Phosphate zu synthetisieren. Dabei dissoziiert die Milchsäure zu Laktat und Wasserstoffionen (H+). Die ansteigende Laktatkonzentration wurde dabei auf fehlenden Sauerstoff in der Mukulatur geschoben. Die Begründung für das Entstehen von Laktat wurde also in einer unzureichenden Sauerstoffversorgung der Muskulatur gesehen. Diese Sichweisen müssen jedoch revidiert werden. Laktat wird gebildet, wenn der Körper mehr Energie benötigt, wie er über den aeroben Stoffwechselweg herstellen kann. Zwar sind die Fettspeicher sehr groß und nahezu unerschöpflich, der anaerobe Weg der Glykolyse ist jedoch schneller und in der Lage mehr Energie pro Zeit zur Verfügung zu stellen wie die aeroben Stoffwechselwege. Die Leistungsfähigkeit der anaeroben Glykolyse ist annähernd doppelt so hoch wie die der aeroben Energiebereitstellung.(3)

 

Energieträger Laktat

Laktat ist viel mehr als ein Stoffwechselendprodukt. Leider ist diese Sichtweise durchaus noch in vielen Köpfen präsent. Laktat kann vielmehr sowohl am Bildungsort als auch in ferner liegenden Körperzellen verstoffwechselt werden. Die Muskulatur produziert also nicht nur das Laktat, sondern ist gleichsam noch der wichtigste Abbauort. Laktat dient in diesem Zusammenhang als Quelle für Kohlenhydrate. Wichtig ist, dass der Laktatabbau ebenfalls mit dem Puffern der Säuren einhergeht, bei dem aus den Bicarbonatpuffern Kohlendioxid entsteht. Dieses Kohlendioxid ist der Grund, warum das Verhältnis aus Sauerstoffaufnahme und Kohlendioxidabatmung unter Belastung nicht als Maß für die Fettverbrennung dienen kann! Die Messungen werden schlichtweg durchgängig vom nicht-metabolischen CO2 beeinflusst.

 

Komplexes Molekül Laktat!

Laktat ist ein wichtiges Zwischenprodukt, dass sogar selber als Energieträger gesehen werden muss. Im Rahmen der oxidativen Energiebereitstellung kann Laktat als Energielieferant dienen, so dass die Betrachtung der Milchsäure als „Stoffwechselendprodukt“ oder gar „Abfall“ falsch ist. Falsch ist damit auch das Verständnis, dass Laktat ein Indikator für Ermüdung sein kann. Die Laktatkonzentration im Blut ist zudem abhängig von der Muskelfaserverteilung, da in Muskelfasern des schnellen Typ II und IIx die maximal mögliche Laktatproduktion mehr als doppelt so hoch liegt, wie in Muskelfasern des oxodativ, langsam zuckenden Typ 1.

 

Schwellenkonzepte

Immer wieder ist Kritik an den gängigen Schwellenkonzepten zu lesen. Bei den verschiedenen Schwellenkonzepten handelt es sich um verschiedene mathematische Verfahren, um im Verlauf einer Laktatleistungsdiagnostik rechnerisch den Punkt des maximalen Laktatsteady States zu berechnen. An diesem Punkt in der Laktatkurve soll sich der Aufbau und der Abbau von Laktat die Waage halten. Allerdings sind die verschiedenen Verfahren zum Bestimmen der Schwelle gar nicht so wichtig, wie sie in mancher Diskussion dargestellt werden, da es sich bei den so genannten Schwellen eher um theoretische Konstrukte handelt. Die Zielgröße der Laktatleistungsdiagnostik im Ausdauersport kann nicht ein physiologisches Konzept oder eine wie auch immer geartete Schwelle sein. Dies gilt um so mehr, als dass es kaum eine Veränderung im Bereich einer bestimmten Herzfrequenz geben kann, da es sich physiologisch immer um fließende Übergänge handelt. Letztendlich bildet eine Schwelle also vielmehr einen Referenzpunkt in der Laktatleistungskurve, der die Ausdauerleistungsfähigkeit repräsentiert. Dieses Verständnis vom Laktat zeigt, dass es durchaus berechtigt ist für unterschiedliche Fragestellungen auch mit unterschiedlichen Konzepten zu arbeiten. Der Hinweis, dass ein Laktattest wissenschaftlich nicht exakt sein kann, weil unterschiedliche Schwellenkonzepte bestehen, kann also als nicht haltbar beschrieben werden.

 

Ausdauersportler: Freiburger Modell nach Dickhuth als Standard

Insbesondere Ausdauersportler wie Triathleten, Radsportler und Läufer profitieren von der Durchführung eines Laktatstufentests. Es bietet sich hierbei an, auf ein Stufendesign zurückzugreifen, bei dem die Steigerung niedrig ist. Insbesondere für Straßenradsportler und Triathleten haben sich hier Steigerungsraten um 20 Watt bewährt. Neben der Beurteilung der so genannten Basis, bei der noch kein Laktatanstieg im Belastungsverlauf erkennbar ist, sind die aerobe Schwelle als Maß des ersten Laktatanstieges und die anaerobe Schwelle bei 1,5 mmol/l Laktat empirisch gut belegte Kenngrößen. Das Bestimmen der Trainingsbereiche ist jedoch unabhängig von der Schwellenbestimmung zu sehen. Dies gilt um so mehr, als dass die Kinetik der Laktatkurve ein wesentliches Maß in der Beurteilung der Ausdauerleistungsfähigkeit darstellt. Die Laktatdiagnostik spielt somit entgegen anderslautender Aussagen weiterhin eine sehr große Rolle in der Beurteilung der Ausdauerleistungsfähigkeit. Während jedoch den verschiedenen Schwellenkonzepten nur noch eine untergeordnete Rolle zukommen kann, lösen die Erkenntnisse der sportphysiologischen Forschung neue Interpretationsmöglichkeiten aus. Mehr als zuvor ist jedoch die Erfahrung und die Qualität einer Ergometrie und der zugrundeliegenden Techniken und Ausführungen eine wichtige Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz dieser Trainingsmethoden.

 

Lassen Sie sich Ihre Laktatkinetik erklären!

Wenn Sie sich als Ausdauersportler für das Durchführen einer Laktatleistungsdiagnostik entscheiden, sollten Sie darauf achten einen spezifischen Test für Ihre Sportart durchzuführen. Für das Laufen auf dem Laufband oder auf einer Laufbahn und für Radfahrer auf einem Hochleistungs-Radergometer. In der Auswertung sollten Sie darauf achten, dass Ihnen der Diagnostiker die Laktatleistungskurve und deren Kinetik ausführlich erklärt. (Lesen Sie auch: Leistungsdiagnostik im Ausdauersport)

  

Fazit

Das im Blut gemessene Laktat ist immer das Resultat aus der Laktatproduktion und dem gleichzeitig stattfindenen Transport und Abbau. Je nach Trainingszustand, Hauptsportart, Trainingsalter und Trainingsinhalten kann der Laktatabbau auch schon bei niedrigeren Belastungsintensitäten recht große Ausmaße annehmen. Niedrigere Blutlaktatkonzentrationen scheinen somit eher auf einer erhöhten Fähigkeit Laktat transportieren und abbauen zu können, als durch eine geringere Laktatproduktion bedingt zu sein. Insbesondere zum Darstellen der Trainingsbereiche für Ausdauersportler hat die Laktatdiagnostik einen besonderen Nutzen. Lässt sich doch der Muskelstoffwechsel als Maß der Reaktion auf eine Belastung abschätzen. Durch das Vorgeben der Leistungsdaten oder der Laufgeschwindigkeit lassen sich so effektiv Trainingszonen vorgeben. Auch die Rückschlüsse zu den Herzfrequenzen sind durchaus valide. Grundlage ist, dass der Diagnostiker in der Lage ist, die Kinetik der Kurve zu interpretieren und die Rückschlüsse für die Trainingsplanung zu ziehen.

Wenn Sie regelmäßig Ausdauersport wie Radfahren, Laufen oder Triathlon betreiben, ist ein Laktatstufentest eine gute

Abb. 1. Atemäquivalente und Laktatkinetik in einer Auswertung eines ausdauertrainierten Leistungssportlers

Möglichkeit, Ihre aktuellen Trainingsbereiche zu bestimmen. Längsschnittliche Datenvergleiche sind über andere Testverfahren wesentlich schwerer abbildbar. Insgesamt bleibt die Laktatdiagnostik weiter ein anerkanntest Verfahren zum Beurteilen der Trainingsbereiche und Darstellen der Leistungsentwicklung. Anderweitige Behauptungen sind wohl eher wirtschaftlichen Gründen und weniger sportwissenschaftlichen Daten geschuldet. Für Ausdauersportler stellt sich dennoch die Frage, ob sie einen Laktatstufentest mit einer Spiroergometrie verbinden möchten. Aufgrund der umfangreichen Daten, die in einem solchen kombinierten Testverfahren gewonnen werden können, ist dies eine interessante Option. Während in der Laktatdiagnostik Schwellen mathematisch bestimmt werden, können in der Spiroergometrie Schwellen anhand physiologischer Veränderungen sichtbar gemacht werden. Dabei sind die Laktatschwellen und die spiroergometrisch ermittelten Schwellen jedoch nicht identisch, sondern markieren unterschiedliche Bereiche Ihres Stoffwechsels. So ergeben sich aus der Verbindung aus Spiroergometrie und Laktatmessung eine Beurteilung der Stoffwechselkapazitäten auf Basis von 4 Schwellen. Dies allein ist jedoch noch kein Grund ein Testverfahren als „besser“ oder „überlegen“ zu beurteilen. Auch in der Kombination der Schwellen ergibt sich die qualitativ hochwertige Beurteilung der Trainingszonen erst dann, wenn auch die kompletten Kurvenverläufe der so genannten 9-Felder Graphik und dazu die Laktatkinetik berücksichtig werden. In Abb. 1 ist zu sehen, dass das Betrachten der beiden Kurven zur Interpretation der Daten hervorragend geeignet ist.

 

Dennis Sandig

 

Literaturangaben:

1. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 2012, Bd. 59 (12), 305.

2. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 2008, Bd. 59 (12), 302–304.

3. Schweizerische Zeitschrift für «Sportmedizin und Sporttraumatologie, 2009, Bd. 57 (3), 100–107.

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Über den Autor

Dennis Sandig

Dennis Sandig arbeitete als Sportwissenschaftler am Institut für Sportwissenschaften der Julius-Maximilians Universität in Würzburg. Aktuell ist er bei der Deutschen Triathlon Union als Wissenschaftskoordinator und Referent für Bildung zuständig, sowie für das umfassende Aus- und Fortbildungsprogramm für Coaches im Triathlon.

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