Überlastungsschäden durch Laufen?

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Während auf der einen Seite gesundheitsfördernde Wirkungen des Laufens bekannt sind, muss auf der anderen Seite auch über Risiken gesprochen werden. Wir stellen Ihnen die wichtigsten Grundlagen der Verletzungsprävention im Marathon vor.

Bereits die Geschichte des Laufens lehrt uns, dass das Laufen durchaus gesundheitsgefährdend sein kann. Der legendäre

Einknicken bei der Landung einer Spitzenläuferin (Frankfurt Marathon, Zeit: 2:32h)

Bote Pheidippides brach tot zusammen, nachdem er die Kunde vom Sieg über die persischen Gegner vom Schlachtfeld nach Athen überbracht hatte. Während diese geschichtsträchtigen Kilometer jedoch weit zurückliegen, erfreut sich das Laufen heute größter Beliebtheit. Verletzungen und Überlastungen zu vermeiden ist ein wichtiger Schritt hin zu gesundem Laufen.(1)

Während auf der einen Seite gesundheitsfördernde Wirkungen des Laufens bekannt sind, muss auf der anderen Seite auch über Risiken gesprochen werden.(2) Viele Läufer erleiden beispielsweise Überlastungsfrakturen in ihrem Sportlerleben, ohne dass ihnen das bewusst wird. Hartnäckige Schmerzen an der vorderen Kante des Schienbeins oder im Bereich des Mittelfußes zwingen zum Abbruch des Trainings. In Röntgenbildern ist in solchen Fällen oftmals keine Fraktur am Knochen sichtbar, so dass Überreizungen oder Entzündungen als Ursache diagnostiziert werden.

 

Ist Ihr Stütz- und Bewegungsapparat gefährdet?

Die Belastungen, die auf Ihre Knochen, Sehnen und Bänder wirken, klingen auf den ersten Blick sehr hoch. Bei jedem Schritt lastet auf Ihrem Bewegungsapparat das 2,5- bis 3,5-fache Ihres Körpergewichts! Ein mittelschwerer Marathonläufer muss so mit einer Belastung um 5000–6500 Tonnen rechnen. Diese unvorstellbare Last verteilt sich auf ca. 3500 Schritte und eine entsprechende Dauer der Belastung. Allein für sich genommen stellt dies für einen trainierten Organismus kein Problem dar. All zu oft steigern Läufer ihre Umfänge jedoch unbedacht und viel zu schnell. So muss immer berücksichtigt werden, dass die passiven Bewegungsstrukturen wie Knochen, Sehnen und Bänder einen sehr langsamen Stoffwechsel haben. Der Aufbau struktureller Proteine und der Knochensubstanz erfolgt daher mit einiger Zeitverzögerung zu den Anpassungen Ihres Muskelstoffwechsels oder Ihres Herz-Kreislaufsystems. Während Sie also ausdauernder laufen können und sich unterwegs besser fühlen, ist Ihr Körper keineswegs bereits an die kommenden Belastungen angepasst.

 

Verletzungsrisiko Laufen?

Akute Verletzungen treten bei einem Marathon und beim Lauftraining selten auf. Gerade im Vergleich zu anderen Sportarten sind das Verletzungsrisiko und der Schweregrad gering. Schäden betreffen eher Überlastungsbeschwerden mit geringem bis mittlerem Beschwerdegrad, die jedoch von längerer Dauer sind. Da akute Schäden selten sind, stellt sich die Frage nach möglichen dauerhaften Schäden am Bewegungsapparat durch das Marathonlaufen. Auf der einen Seite stehen dabei die großen Belastungen, die Sie im Laufe der Zeit Ihrem Bewegungsapparat zumuten, während auf der anderen Seite das enorme Anpassungspotential aller Gewebestrukturen zu betonen ist. Das Risiko steigt dabei mit den Trainingsumfängen und nimmt bei einem Umfang über 60 km pro Woche das größte Risiko ein. So wird Laufanfängern ein höheres Beschwerderisiko zugeschrieben als erfahreneren Läufern, was insbesondere mit der Festigkeit des Band- und Sehnenapparats erklärbar ist.(1)

 

Datenlage ist weiterhin dünn

Sowohl für das Beurteilen von Beschwerden als auch für das Entwickeln einer wirkungsvollen Prävention ist die Kenntnis der auslösenden Faktoren wichtig.(1) Leider existieren kaum Übersichtsarbeiten, die aus kontrollierten Längsschnittuntersuchungen resultieren, sondern vielmehr allein auf Erfahrungswissen beruhen. Allerdings sind Beschwerden eher gering, gleichzeitig jedoch weit verbreitet. Rund 2/3 aller Läufer müssen im Verlauf ihrer sportlichen Laufbahn mit Beschwerden aufgrund von Überlastungen rechnen. Dazu gehören Rückenschmerzen ebenso wie Beschwerden im Bereich der Knie oder der Schienbeine (vgl. Tab. 1).

 

Beschwerden Verbreitung
Rückenschmerzen (chronisch) ca. 10–15 %
Entzündungen der Sehnen (Knie, Achillessehne) ca. 10–30 %
Schienbeinkantensyndrom ca. 8–15 %
Stressfrakturen (Mittelfuß, Schienbein, Fersenbein) unter 10 %
Nervenkompressionssyndrome selten

Tab. 1: Häufige Laufbeschwerden (modifiziert nach Mayer et al.)(1)

  

Zu den Einflussgrößen bzw. Auslösern solcher Beschwerden gibt es kaum einheitliche Daten. Weder das parallele Ausüben alternativer Sportarten, noch die Tageszeit, das Streckenprofi l oder die Laufgeschwindigkeit scheinen Auswirkungen zu haben. Lediglich der Laufumfang und bereits vorhandene Beschwerden scheinen im Zusammenhang mit gehäuftem Auftreten von Problemen zu stehen. Der Laufuntergrund beeinfl usst eher die Art der Beschwerden. Während das häufi ge Laufen auf Asphalt Knieprobleme tendenziell begünstigt, können Waldboden und Wiesen Beschwerden im Bereich der Achillessehne hervorrufen.

 

Lauftechnik als Problem?

Beim Vorfußlaufen werden die Wadenmuskulatur, die Zehengrundgelenke und auch die Mittelfußknochen in stärkerem Maße belastet als beim Fersenlaufen. Bei letzterem wiederum sind die Wadenmuskulatur und die Muskulatur im vorderen Bereich des Schienbeins stärker belastet.(3) Ob es einen optimalen Laufstil geben kann, ist wohl kaum zu beantworten. Letztendlich spielen beim Laufstil auch Ihre strukturellen Voraussetzungen eine große Rolle.

 

Risiko bleibt überschaubar

Bei Betrachtung der zur Verfügung stehenden Daten und Untersuchungen scheint es wenig wahrscheinlich, dass Laufbelastungen einen gesunden Läufer schädigen. Vorschäden hingegen kann eine gewisse Bedeutung beigemessen werden, so dass vor Beginn eines geregelten Trainings ein erfahrener Sportwissenschaftler zu Rate gezogen werden sollte, um Risiken auszuschließen und den Trainingsumfang zu besprechen. Gerade Vorbelastungen im Gelenkbereich müssen im Hinblick auf weitere Schädigungen bis hin zu degenerativen Gelenkerkrankungen wie Arthrose berücksichtigt werden. Ergänzendes Krafttraining zum Stabilisieren der Beinachsen und für eine verbesserte Stabilisationsfähigkeit ist vor allem Anfängern zu empfehlen.

 

Fazit

Ihr Körper ist ein wahres Wunder, wenn es um Anpassungen an das Training geht. Das zeigen nicht zuletzt die Leistungen, die in der Weltspitze abgerufen werden. Wenn Sie einige Grundregeln beachten und sich vorsichtig an größere Umfänge herantasten, sind Überlastungen vermeidbar. Laufen ist gesund und selbst längere Läufe sind nicht schädlich, wenn Sie sich ausreichend vorbereiten. Von sämtlichen „von 0 auf 42“ Projekten in kurzen Zeiträumen ist jedoch abzuraten, denn als Couchpotato sollten Sie mindestens 2–3 Jahre Vorbereitung einplanen, bevor Sie sich an die Distanz über 42,195 km wagen.

 

Tipps für Ihr Training

– Vermeiden Sie schnelle Steigerungen von Intensität und/oder Umfang.

– Steigern Sie um maximal 10 % alle 14 Tage.

– Halten Sie Entlastungs- und Regenerationsphasen ein.

– Führen Sie Krafttraining und Lauf ABC regelmäßig durch.

 

Dennis Sandig

 

Literaturangaben:

1. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 2011, Bd. 62 (9), 293–298.

2. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 2011, Bd. 62 (9), 299–302.

3. Schweizerische Zeitschrift für Sportmedizin und Sporttraumatologie, Bd. 58 (2), S. 1–2.

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Über den Autor

Dennis Sandig

Dennis Sandig arbeitete als Sportwissenschaftler am Institut für Sportwissenschaften der Julius-Maximilians Universität in Würzburg. Aktuell ist er bei der Deutschen Triathlon Union als Wissenschaftskoordinator und Referent für Bildung zuständig, sowie für das umfassende Aus- und Fortbildungsprogramm für Coaches im Triathlon.

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