Ein häufig übersehener Faktor und Leistungsindikator für Läufer neben VO2max und Laktatschwelle ist der submaximale Energieaufwand des Laufens bei gegebener Geschwindigkeit – anders bekannt als Laufökonomie – und sein Verhältnis zur Flexibilität.
Es ist allgemein bekannt, dass eine hohe Rate an Sauerstoffverbrauch (VO2max) eine wichtige Eigenschaft bei Eliteläufern ist. VO2max ist jedoch für jene, die bereits diese Kapazität besitzen, ein schlechter Leistungsindikator, und andere Bestimmungsfaktoren sind ausschlaggebend um den Erfolg zu bestimmen. Ein solcher Faktor ist die Laktatschwelle des Athleten und folglich die Fähigkeit, bei hohen Geschwindigkeiten zu laufen, ohne die muskelhemmenden Zunahmen von Milchsäurekonzentrationen. Ein anderer, häufig übersehener Faktor ist der submaximale Energieaufwand des Laufens bei gegebener Geschwindigkeit – anders bekannt als Laufökonomie.
Laufökonomie und Flexibilität
Klassische Studien haben gezeigt, dass die Laufökonomie unter Eliteläufern, die zwischen den einzelnen Läufern um bis zu 30 % schwanken kann, ein gewaltiger Indikator des Leistungserfolgs ist. Verringerter submaximaler Energieaufwand gibt ökonomischen Läufern einen Vorteil gegenüber nicht-ökonomischen Läufern mit den gleichen VO2max- und Laktatschwellenwerten, da sie zu jedwedem Prozentsatz von VO2max in schnellerer Geschwindigkeit und bei einem niedrigeren Prozentsatz von VO2max (mit niedrigerem Puls und Laktatproduktion) zu jeder gegebenen Geschwindigkeit laufen können. Die Faktoren, die dafür bekannt sind, die Laufökonomie zu beeinflussen, umfassen Alter, Training, Schrittlänge und Frequenz. Es wird auch weithin angenommen, dass Gelenkigkeit und Flexibilität die Ökonomie erhöhen können – eine Annahme, die auf der Beobachtung basiert, dass die Laufökonomie und Flexibilität mit dem Alter abnehmen.
Befürworter des Flexibilitätstrainings argumentieren, dass verringerte Flexibilität zu kürzeren, weniger ökonomischen Schrittlängen oder zu größerer Bemühung führen könnte, die Glieder gegen den festen muskulösen Widerstand zu bewegen, insbesondere in extremen Bewegungsbereichen. Es gibt jedoch wenig Beweise, um die Behauptung zu unterstützen, dass nicht-krankhafte Muskelunbeweglichkeit die Laufökonomie verringern würde und somit die Leistung einschränken würde. Es gibt sogar eine wachsende Anzahl an Beweisen, die das Gegenteil behaupten – dass ein Mangel an Flexibilität in bestimmten Bereichen des Körpers mit erhöhter Laufökonomie in Verbindung gebracht werden kann. Und es ist interessant anzumerken, dass Studien bei Wettkampf-Streckenläufern gezeigt haben, dass sie weniger flexibel als Nichtläufer sind.
Jüngere Studien legten nahe, dass die Flexibilität im Rumpf und den niederen Gliedmaßen umgekehrt mit der Laufökonomie zusammenhängen. Z. B. prüften Gleim und sein Mitarbeiterstab 100 männliche und weibliche Personen über eine Bandbreite an Laufgeschwindigkeiten auf der Tretmühle (0,9–3,13 m pro Sekunde). Sie verwandten die Sauerstoffeinnahme als Maß für die Laufökonomie und verwandten eine Reihe von 11 Tests, um die Flexibilität in Rumpf und Gliedmaßen festzulegen. Die Analyse der Daten ergab, dass Personen, die eine Unbeweglichkeit im Rumpf aufwiesen (was die Spannweite des Beines von der Hüft- und Rumpfdrehung begrenzte) bei jeder Testgeschwindigkeit die ökonomischsten waren.
In einer anderen Studie folgten die Forscher einer ähnlichen Methode bei 19 männlichen Läufern mit Zeiten von weniger als 40 Minuten auf 10 km. Insgesamt wurden 9 Messungen der Flexibilität des Rumpfes und der niederen Gliedmaßen vorgenommen und die Laufökonomie auf der Tretmühle wurde bei einer Geschwindigkeit von 4,13 m/sec festgesetzt. Wie bei der vorhergehenden Studie auch, fanden die Forscher heraus, dass eine verringerte Flexibilität (in diesem Fall in der Hüfte, was die externe Drehung des Beines begrenzt), mit erheblich verringertem Energieaufwand des Laufens – d. h. erhöhter Laufökonomie verbunden war.
Ein inverses Verhältnis
Außerdem zeigten die Resultate dieser Studie ein starkes Verhältnis zwischen verbesserter Ökonomie und begrenzter Dorsiflexion des Knöchels (Unbeweglichkeit in den Waden- und Soleusmuskeln, was das Anheben des Fußes in Richtung Schienbein begrenzt). Vor kurzem ist genau dieses Thema bei internationalen Elite-Streckenläufern untersucht worden. Wieder deckten die Ergebnisse ein umgekehrtes Verhältnis zwischen Flexibilität und Laufökonomie auf: Dieses Mal war es eine verringerte Flexibilität der Achillessehne / der unteren Rückenmuskeln, die scheinbar die Ökonomie verbesserte.
Wie kann eine Unbeweglichkeit im muskoloskeletalen System den submaximalen Energieaufwand beim Laufen verringern? Craib und seine Kollegen schlugen vor, dass eine Inflexibilität des Knöchels bei der Dorsiflexion den Energieaufwand verringern könnte, indem sie die Speicherung und Rückfuhr der elastischen Energie in Achillessehne und Wadenmuskeln verbessert. Eine ähnliche Erklärung hinsichtlich der unflexiblen Kniesehnen wurde von Jones abgegeben. Ein Mechanismus, der die Rückgabe der elastischen Energie einbeziehen würde, könnte theoretisch die aktiven Muskelkontraktionen verringern, die erforderlich sind, um den Läufer vorwärts zu bringen und damit den Energieaufwand verringern.
Vorhergehende Studien schlugen vor, dass ein elastischer Rückstoß der Muskeln und Sehnen zu 25–40 % der Energie beitragen kann, die für nachfolgende Bewegungen in einem maximal ausgedehnten Muskel notwendig ist. Die Annahme liegt nahe, dass Inflexibilität um die Knöchelgelenke zu einer größeren relativen Ausdehnung der festen Muskeln und Sehnen führen würde. Dadurch würde mehr elastische Energie für den nachfolgenden Rückstoß gespeichert und die aktive Muskelarbeit wäre verringert. Muskoloskeletale Unbeweglichkeit kann auch die vorteilhaften Effekte der begrenzten Hüft-/Rumpf-Flexibilität erklären, die sich in den oben erwähnten Studien gezeigt hat. Die begrenzte externe Hüftumdrehung konnte die Laufökonomie erhöhen, indem sie die Beckenregion zum Zeitpunkt der Berührung des Fußes mit dem Boden stabilisierte. Da das Laufen hauptsächlich in einer Vorwärtsbewegung erfolgt, ist Rotationsbewegung potentielle Energieverschwendung, da sie nicht zur Vorwärtsbewegung beiträgt.
Vermutlich müssen Drehbewegungen bei den flexiblen Läufern durch aktive Muskelkontraktionen neutralisiert werden, wodurch sie weniger ökonomisch sind, als Läufer mit den unbeweglicheren Rumpf- und Hüftmuskeln. Ähnlich kann eine erhöhte relative Ausdehnung der festen Kniesehnen beim Vorwärtsschwingen des Beines elastische Energie speichern, die verwendet werden kann, um den Körper über die Gliedmaßen zu ziehen und den Läufer anzutreiben, wodurch aktive Muskelkontraktionen eingespart werden. Die Forschung liefert reichhaltige Unterstützung für diese Annahmen, obgleich der Umfang der Rumpfdrehung und Hüftbeugung während der Testläufe in keiner der Studien wirklich gemessen wurde.
Die Ergebnisse der oben umrissenen Studien schlagen vor, dass Inflexibilität in den Hüft- und Wadenbereichen mit verbesserter Laufökonomie bei Freizeitsportlern, mäßig Trainierten und Eliteläufern verbunden ist. Auf der Grundlage von vorhergehenden Studien ist es möglich zu mutmaßen, dass Inflexibilität den submaximalen Energieaufwand des Laufens verringert, indem sie die Notwendigkeit des aktiven Stabilisierens des Rumpfes minimiert und die Speicherung und Rückgabe der elastischen Energie an Muskeln und Sehnen des untereren Beines erhöht.
Jedoch müssen diese Entdeckungen mit Vorsicht genossen werden: Man kann zwar nahelegen, dass ein wenig „Unbeweglichkeit“ in der Hüfte und im untereren Beinbereich vorteilhaft sein kann, jedoch muss definiert werden, was Unbeweglichkeit bedeutet. Es gibt eine Grenzlinie, bei der Inflexibilität aufhört, Unbeweglichkeit innerhalb eines normalen Bewegungsbereiches zu sein und unverhältnismäßig bis zum Grad einer zunehmenden Verletzungsgefahr wird. Klinisch gesehen nimmt man an, dass übermäßige Muskelunbeweglichkeit eine wichtige Ursache von Verletzungen wie Muskelzerrungen und Entzündungen der Sehnen ist. Vieles spricht auch dafür, dass regelmäßiges Laufen sowieso zu Inflexibilität in den Waden und Achillessehnen führt, aufgrund der Hypertrophie dieser Muskelgruppen.
Fazit
Mit diesen Punkten vor Augen sollten Läufer vorsichtig mit dem Rückschluss sein, dass allgemeine Inflexibilität für Streckenlaufleistung wünschenswert ist. Wir schlagen dagegen vor, dass Läufer mit einem durchschnittlichen Niveau an Flexibilität das Flexibilitätstraining meiden sollten, das spezifisch darauf ausgerichtet ist, die Bewegungsbandbreite um ein Gelenk zu erhöhen, besonders wenn dies auf die Muskeln gezielt ist, die die externe Hüftdrehung, den Waden-/Soleuskomplex und die Achillessehne begrenzen.
Schlussendlich sollte zwar das allgemeine Dehnen, dazu bestimmt das vorhandene Niveau an Flexibilität und Muskelfunktion zu erhalten, ein wichtiger Aspekt des Aufwärm- und Abkühlprogramms eines jeden Läufers bleiben, eine Flexibilitätsverbesserung über das für Läufer normale Niveau hinaus wird aber wahrscheinlich die Leistung eher behindern statt verbessern.
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